

Bundestag berät Stopp von Familiennachzug - Dobrindt: Baustein der Migrationswende
Der Bundestag hat erstmals die von der Regierung geplante zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete ohne Asylstatus debattiert. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) rechtfertigte die Maßnahme am Freitag im Plenum als einen Baustein der geplanten Wende in der Migrationspolitik. Vom Koalitionspartner SPD kamen auch kritische Worte zu Dobrindts Plänen. Grüne und Linke forderten den Minister auf, davon Abstand zu nehmen, der AfD gehen sie nicht weit genug.
Dobrindt sagte im Bundestag, dass es "keinen einfachen Hebel, nicht einen einzigen Schalter", gebe, "den man umlegen kann und dann ist das Problem der illegalen Migration gelöst". Die Lösung sei "vielmehr die Summe vieler Einzelmaßnahmen".
Der Minister betonte, dass "die Integrationsfähigkeit eines Landes, auch unseres Landes, schlichtweg eine Grenze hat". Die Aussetzung des Familiennachzugs wirke in doppelter Hinsicht: Zum einen direkt, weil die Familienangehörigen nicht mehr nach Deutschland nachziehen dürften. "Zum anderen wirkt sie, weil der Pullfaktor, die Logik der Schleuserbanden," durchbrochen werde.
Betroffen wären sogenannte subsidiär Schutzberechtigte, also Geflüchtete, die zwar weder als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention noch als Asylberechtigter anerkannt sind, aber im Herkunftsland womöglich durch Folter, Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung bedroht sind. Die meisten stammen aus Syrien.
Bisher können monatlich bis zu 1000 enge Familienangehörige nachziehen - also Ehegatten, minderjährige ledige Kinder und die Eltern von minderjährigen Kindern. Dieses Kontingent wurde in den vergangenen Monaten meist vollständig ausgeschöpft.
Der Familiennachzug war in der Flüchtlingskrise von der damaligen Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits 2016 für rund zwei Jahre eingefroren und danach mit der Deckelung wieder ermöglicht worden. Dobrindt will nun erneut eine zweijährige Aussetzung, um die Migrationszahlen zu senken. Das Bundeskabinett aus CDU, CSU und SPD hatte das Gesetz in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht. Es sieht Ausnahmen für Härtefälle vor.
In der SPD gibt es gegen die Pläne Widerstand. "Wir als Jusos halten das für falsch", sagte Philipp Türmer, Chef der SPD-Jugendorganisation im Deutschlandfunk. "Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass uns gerade dieser Familiennachzug total wichtig ist." Es sei "einerseits eine moralische Verpflichtung", den Familiennachzug zu erlauben, sagte Türmer. Andererseits helfe er auch "denjenigen, die hier sind, enorm bei der Migration".
Auch die SPD-Abgeordnete Rasha Nasr ließ im Bundestag erkennen, dass sie den Familiennachzug grundsätzlich für ein sinnvolles Instrument hält. Sie nannte dieses Instrument einen "Baustein einer gelungenen Integration". Kapazitäten bei der Integration und Grenzen der Toleranz müssten allerdings "mitgedacht werden", schränkte sie ein. "Wir müssen bereit sein, über Härten offen zu sprechen". Die Härtefallregelung ermögliche es, "flexibel und menschlich zu handeln".
Grüne und Linke fordern, den Familiennachzug weiter zu ermöglichen und verweisen auf humanitäre Gründe. "Mit der Aussetzung des Familiennachzugs nehmen CDU, CSU und SPD vielen geflüchteten Menschen die Aussicht auf ein Leben mit ihren Angehörigen", sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann der Nachrichtenagentur AFP. "Da Fluchtursachen oft über Jahre bestehen, bedeutet die erzwungene Trennung für viele Familien eine enorme Belastung." Wer Kinder von ihren Eltern fernhalte, nehme bewusst Leid in Kauf.
Die Linken-Politikerin Clara Bünger nannte das Vorhaben "antichristlich und auch familienfeindlich". Union und SPD machten "Politik gegen Kinder und ihre Eltern", sagte die Linken-Abgeordnete. Ihre Fraktion habe auch verfassungsrechtliche Bedenken - auch was die bisherige Regelung mit der Kontingentierung angeht. "Hören Sie auf, Familien für Ihre Symbolpolitik zu instrumentalisieren", appellierte sie an die Bundesregierung.
Die AfD meldete Zweifel an der Wirksamkeit der Regierungspläne an. Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann sprach von "Nachzugswahnsinn", den die Union aus Merkels Kanzlerschaft selbst zu verantworten habe. Die Aussetzung sei faktisch "wirkungslos", da sie zeitlich begrenzt ist und nur eine kleine Gruppe umfasse. "Die Grenzen sind weiter offen wie Scheunentore", sagte Baumann. Nach der Beratung in erster Lesung wurde das Gesetz in die Ausschüsse verwiesen.
P.Pereyra--GBA